Wie der Mensch seine Umgebung verändert hat

Gerade im Frühling erfreuen wir uns gern an der aufblühenden Natur. Dies soll Anlaß sein, einmal über den tiefgreifenden Wandel nachzudenken, der sich in den vergangenen 220 Jahren im Landschaftsbild um Klaffenbach vollzogen hat.

Karte-HG1

Kartenausschnitt um 1790

Das sächsische Meilenblatt, eine Karte, die um 1790 für die Belange des sächsischen Militärs aufgenommen wurde, zeigt die Höhenzüge rings um den Ort von geschlossenen Waldflächen bedeckt. Im Norden schlängelte sich die Würschnitz durch eine breite Auwiese, die von mehreren Teichen unterbrochen wurde. Während auf der Westseite in Dorfnähe die Felder größere zusammenhängende Flächen einnahmen, die gelegentlich durch Gehölze und Teiche unterbrochen waren, herrschte auf der Ostseite bedingt durch die bewaldeten steilen Hanglagen eine kleinteiligere Struktur vor. Insbesondere am sogenannten Wachtberg oberhalb der heutigen Steinbruchsiedlung reichte der Wald bis an die Dorfstraße.

Da die ausgedehnten Waldflächen viel Wasser speichern konnten, führten der Dorfbach und seine Seitenbäche mit Sicherheit wesentlich mehr Wasser als heute. 100m oberhalb vom heutigen Krystallpalast befand sich im Talgrund ein großer Karpfenteich des Rittergutes. Etwa an dieser Stelle zweigte ein Mühlgraben ab, der mit geringem Gefälle an dem westlichen Talhang entlang verlief und sein Wasser der Klaffenbacher Mühle zuführte. Geht man heute den Fußweg von der Mühle in Richtung Wasserschloß, so passiert man nicht weit von der Mühle eine kleine Schlucht. Dies ist der letzte sichtbare Rest des genannten Mühlgrabens, der sich hier mit dem Zufluß vom Schloß her vereinigte. Die Klaffenbacher Mühle umfaßte damals nicht nur eine Mahlmühle mit zwei Gängen, sondern auch eine Schneid- und Ölmühle, die alle auf die Wasserkraft angewiesen waren.

Das gesamte Wegenetz war damals unbefestigt. Bedingt durch die herrschaftliche Schäferei, die sich am heutigen Wasserschloßweg befand, wurden damals oft die Schafherden durchs Dorf getrieben. So waren die Straßen je nach Witterung sehr staubig oder schlammig. Mit Ausnahme der Bergschenke an der Annaberger Straße standen 26 Bauerngüter und etwa ebenso viele kleine Wohnhäuser in lockerer Folge entlang der heutigen Klaffenbacher Hauptstraße. Ein weiterer sehr alter Weg zieht sich westlich des Dorfes vom Wasserschloß aus in Richtung Burkhardtsdorf. Er wird manchmal als noch Kirchsteig bezeichnet, weil er für die Klaffenbacher den kürzesten Weg zur Neukirchner Kirche bildete. Im Meilenblatt ist dieser Weg als Hofeweg bezeichnet, weil die Bauern auf ihm zum Gutshof des Schlosses gelangten.

Die heutige Würschnitztalstraße war 1845 noch völlig unbebaut. Die Adorfer Straße und die Rödelwaldstraße existierten überhaupt noch nicht in ihrem heutigen Verlauf.

Warum sind nun all diese Wälder innerhalb von etwa 100 Jahren bis auf geringe Reste verschwunden? Ein Grund ist  in der Abschaffung der Frondienste ab 1834 zu suchen. Vorher waren die Bauern zwar im Besitz ihres Grund und Bodens, aber sie mußten einen großen Teil ihrer Arbeitszeit der Rittergutsherrschaft zur Verfügung stellen. Für die Bewirtschaftung ausgedehnter eigener Flächen reichte die Kraft nicht aus. Auch der Viehbestand war gemessen an späteren Zeiten eher gering, wie aus Verkaufsprotokollen der damaligen Zeit hervorgeht. So waren also Feld- und Wiesenflächen begrenzt und der Wald nahm wesentlich mehr Fläche ein als heute.

Mit der Abschaffung der Frondienste mußten die Bauern zwar noch Raten und Zinsen an die sächsische Landrentenbank zahlen, die ihnen die Ablösesumme an die Gutsherrschaft vorgeschossen hatte. Andererseits konnten sie nun frei über ihre Arbeitskraft und ihren Grundbesitz disponieren und größere Feldflächen bewirtschaften. Parallel zum Wachstum der Industriestadt Chemnitz bestand ein hoher Bedarf an Bauholz, was einen weiteren Anreiz darstellte, die Wälder abzuholzen und zu Geld zu machen. Bis 1927 verschwanden auf diese Weise fast alle Waldflächen rings um Klaffenbach. Einzig und allein im Bereich des kommunalen Rödelwaldes hat es nach 1927 noch eine Aufforstung gegeben.

Mit den Wäldern entfiel auch deren Rolle als Wasserspeicher in der Natur, so daß viele kleinere Wasserläufe versiegten. Spätestens mit Einführung der Kollektivierung in der Landwirtschaft waren die Mittel vorhanden, „störende“ Bachläufe in den Feldern zu verrohren und unterirdisch abzuführen. Feuchte Wiesenflächen konnten auf diese Weise entwässert und fortan als Felder genutzt werden.

Aus heutiger Sicht erhebt sich die Frage nach dem Sinn des Ganzen. Landwirte haben es heute schwer. Noch vor Jahren wurden Flächen mit Subventionen „stillgelegt“. Heute dienen sie dem Anbau von Energiepflanzen. Die abwechslungsreiche, kleinteilige Landschaft mit ihren reizvollen Einzelheiten von einst ist unter wirtschaftlichen Zwängen einer einförmigen Kulturlandschaft gewichen. Dürfen wir Menschen wirklich ungestraft die Belange der Ökonomie über die der Ökologie stellen? Ist nicht vielmehr ein verantwortungsvollerer Umgang mit den natürlichen Ressourcen angezeigt? Fragen, über die Jeder einmal nachdenken sollte. Für Christen ist es zudem eine Frage der Ehrfurcht vor Gott.

Autor: Frank Müller

Ausschnitt Karte: Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, 40044 Generalrisse, Nr. I 185 (MF 1606)

Vorlage und Repro: Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden

Erschienen als Beiträge zur Heimatgeschichte Teil 1 im Klaffenbacher Anzeiger – Mai 2016

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